Episode 12: Nur mehr Personal ist auch nicht die Lösung
Shownotes
Herzlich Willkommen im Lean Hospital. Mein Name ist Jörg Gottschalk.
In dieser Episode möchte ich mit Ihnen über Personalmangel sprechen – heute und in der Zukunft. Ein zentrales Thema, das endlich in der öffentlichen Aufmerksamkeit an Fahrt gewinnt. Es wird Zeit. Das wissen wir alle. Nur mit mehr Personal können wir die Leistungsfähigkeit unserer Krankenhäuser und aller anderen Institutionen im Gesundheitswesen aufrechterhalten.
Ohne mehr Personal sind wir dem Untergang geweiht. So lautet die kollektive Gewissheit.
Und an dieser kollektiven Gewissheit möchte ich einmal heftigst rütteln. Sie führt uns nämlich in die Irre oder sorgt zumindest dafür, dass wir deutlich zu kurz springen in unserem Bemühungen, Krankenhausversorgung auf höchstem Niveau aufrecht zu erhalten.
Hier sind meine vier Gründe:
Erstens:
Mit dem Verweis auf personelle Knappheit gehen wir einmal mehr einen bequemen Weg. Wir haben einen sprachlosen und gleichsam bequemen Schuldigen für die allermeisten Organisationsprobleme ausgemacht. Also müssen wir keine Zeit mehr damit verschwenden, nach den wahren Ursachen zu forschen.
Zweitens:
Der zentrale Grund für Mitarbeiterflucht aus den Krankenhäusern ist das tägliche Arbeitschaos.
Dabei behaupten praktische Alle, das Chaos wäre die Folge von Zeitknappheit, also Personalknappheit. Diese Annahme ist falsch. Das Chaos gab es schon vor der personellen Knappheit, wir haben es nur besser bewältigen können. Chaos führt zu Verschwendung und zu unnötigen Risiken. Jetzt merken wir diesen unleugnenbaren Sachverhalt.
Drittens:
Wenn wir in dieses Chaos neue und mehr Mitarbeitende werfen, werden wir nicht über mehr Zeit verfügen, sondern nur noch mehr Chaos erleben. Das ist nämlich das Wesen von Chaos. Chaos ist ein schwarzes Loch, das Zeit frisst und an ihr wächst. Deshalb wird mehr Personal nicht zu den erhofften Wirkungen führen.
Viertens:
Wenn wir jetzt mehr Personal einstellen, ohne dass wir das Chaos beseitigt haben, vergeben wir die allerbeste Gelegenheit für Veränderung. Wenn der Druck wieder entweicht, wird wieder organisatorischer Stillstand herrschen.
Vier gute Gründe also, um einen anderen Weg einzuschlagen. Mehr Personal wird das Grundproblem nicht lösen: unsere desorganisierten Behandlungsprozesse und Führungsstrukturen. Wir verlieren nur Zeit. Jetzt mal eins nach dem anderen.
Mitarbeitende fliehen
Stellen Sie sich auch die Frage, warum es derart viele Mitarbeitenden aus unseren Krankenhäusern förmlich heraustreibt? Wahrscheinlich. Da wird viel spekuliert. Von Gehalt, über fehlende Dienstfahrräder, mangelnde Kommunikation oder mangelnde Wertschätzung. Alles möglich. Auf die ein oder andere Weise wird all das ihre Entscheidung beeinflussen. Keine Frage. Der Hauptgrund ist aber ein anderer.
Mitarbeitende treibt es aus den Krankenhäusern heraus, weil sie einmal weit höhere Erwartungen daran hatten, wie sie im Krankenhaus Menschen helfen können und jetzt erkennen müssen, dass ihre Arbeitssituation das nicht mehr zulässt.
Sie leiden täglich unter den organisatorischen Bedingungen, unter denen sie heute arbeiten müssen. Sie leiden unter dem täglichen Arbeitschaos, der Unstrukturiertheit ihrer Tätigkeit, dem immer spontan Handeln müssen und dem stetig sprudelnden Quell neuer Alltagsprobleme in den Abläufen. Sie macht es fertig, keine Aufgabe ungestört und vollständig abzuschließen und ihre Arbeit praktisch nie innerhalb ihrer Arbeitszeit erledigt zu bekommen. All das kostet mehr Energie und Anstrengung, als selbst die engagiertesten Menschen bereit sind dauerhaft einzusetzen.
Weil sich daran absehbar nichts ändern wird, fliehen sie. Wie fast alle gehen sie davon aus, dass das Chaos durch Personalmangel und zunehmende Bürokratie hervorgerufen wird. An beiden Fronten zeichnet sich keine Besserung ab.
Sie glauben nämlich unbewusst - wie fast alle Politiker und Führungskräfte übrigens auch - an den einfachen Dreisatz: mehr Personal, also bessere Arbeitsbedingungen, also mehr Zufriedenheit.
Und genau dieser Dreisatz gilt nicht. Zumindest gilt er nicht so absolut. So leicht macht es uns Organisation nicht.
Weil wir so quasi reflexhaft und kollektiv die falschen Ursachen für den Mitarbeiterschwund und den Zeitmangel unterstellen, suchen wir nicht mehr nach den richtigen Ursachen. Mit fatalen Folgen.
Das Grundübel ist nicht der Mangel an Personal, sondern die Art und Weise, wie wir Behandlungsprozesse gestalten. Diese Arbeitsweise ist prädestiniert dafür, Chaos und Verschwendung zu erzeugen. Wenn man in eine solche, unattraktive, strukturell chaotische Organisation mit unzufriedenen Mitarbeitern mehr Mitarbeiter hineinwirft, wird man unweigerlich noch mehr unzufriedene Menschen in einer immer defizitärer, immer chaotischer werdenden Organisation beschäftigen, die automatisch nach immer mehr Menschen ruft. Das ist leider die organisatorische Wahrheit.
Ein guter Teil von mehr Zeit bzw. mehr Personal wird deshalb schlicht verpuffen, ohne dass irgendetwas besser würde. Weder die Patientenbehandlung noch die Zufriedenheit unserer Mitarbeitenden. Sie wird lediglich teurer.
Sobald wir dagegen damit beginnen, an den Grundlogiken der Krankenhausorganisation zu arbeiten, reduziert sich dieses Chaos, und die Verschwendung. Das Arbeiten wird strukturierter, ruhiger und weniger anstrengend. Sicherer. Wenn wir in ein solches Setting neue Mitarbeitende integrieren, arbeiten sie unter besseren Bedingungen und bleiben - vielleicht.
Wenn wir weiterhin auf den Zeitpunkt in ferner Zukunft warten, zu dem wieder mehr qualifiziertes Personal zu Verfügung steht, verlieren wir nur wertvolle Zeit. Stattdessen wäre es sinnvoller, wenn man jetzt damit begönne, radikal an unseren Behandlungsprozessen zu arbeiten.
Das Chaos
Vielen ist der Zusammenhang zwischen Chaos und Viel-Arbeit nicht unmittelbar präsent. Deshalb hier ein paar Worte dazu. Über die Folgen von Chaos habe ich an anderer Stelle bereits berichtet.
Für jeden ist klar, dass Zeitknappheit entsteht, wenn wir Personal reduzieren, aber die Arbeit bleibt. Zeitknappheit tritt jedoch vor allem dann ein, wenn wir unnötigerweise zu viel Arbeit bewerkstelligen müssen, weil wir uns zu viel Arbeit machen. Ein Arbeitsproduzent ist das Chaos. Chaos produziert unendlich viel Arbeit, weil alles adhoc passiert, jeder maximal flexibel reagieren muss, Abstimmungsbedarf exponentiell ansteigt, Störungen zunehmen. Mit anderen Worten: Zeit fließt immer weniger in die primäre Patientenversorgung, sondern in den Teil, den ich Organisationsbeherrschungsaufwand nenne.
Das Problem besteht darin, dass organisatorisches Chaos die Tendenz hat, mehr zu werden, je mehr Zeit man ihm gibt. Es verhält sich wie ein schwarzes Lock, dass Zeit frisst und an ihr wächst.
Dieser Sachverhalt lässt sich nicht leugnen: Chaos reduziert sich nicht von alleine, es wächst nur von alleine. Das ist sein Wesensmerkmal. Mit mehr Personen bzw. Mehr Zeit lässt sich Chaos zwar besser bewerkstelligen, was allerdings sehr viel Geld und Energie kostet. Der normale Mensch ist für Chaos nicht geschaffen. Außer vielleicht ein typischer Notarzt.
Es ist also ein völliger Trugschluss anzunehmen, dass sich Arbeitsbedingungen verbessern und Mitarbeitende zufriedener würden, wenn man die Organisation nur mit mehr Zeit füttert.
Was tun?
Jetzt ist der Zeitpunkt schon längst gekommen, um unsere Organisationen in die Lage zu versetzen, radikal an den eigenen Prozessen zu arbeiten. Dafür plädiere ich seit vielen Jahren.
Die Zukunftsaufgabe besteht darin, unsere riesigen, extrem komplexen und risikosensiblen Organisationen zu befähigen, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und Schritt für Schritt zu verbessern. Wir müssen sie erst einmal veränderungsfähig machen. Das sind sie nämlich heute in keiner Weise. Alle Versuche, Veränderungsfähigkeit über zentrale Instanzen, das Qualitätsmanagement, Arbeitsgruppen und Projektinflationen zu bewerkstelligen, sind nach meinem Dafürhalten weitgehend gescheitert. Weil sie scheitern mussten. Auf der operativen Ebene herrscht weitgehend operativer Stillstand.
Diesen Stillstand aufzuheben und die Organisationen in Bewegung zu setzen, das ist der erste Schritt. Für mich ist das ein fester Bestandteil eines Lean Hospitals und - konkret - die Einführung von Teamboarding. Teamboarding stellt ein agiles Setting her, in dem dezentrale Teams eigenverantwortlich und in kleinen Schritten ihre eigenen Probleme lösen und Prozesse verbessern. Damit geht es los, weil sich so Kompetenzen aufbauen und - im Tun - Strukturen verändern. Man muss ein Schubkarre anschieben, wenn man wissen möchte, wo sie quietscht. Ich würde jetzt damit beginnen, jedes einzelne Krankenhaus organisatorisch in eine klare Richtung zu treiben: zuverlässige und stabile Prozesse – raus aus dem Chaos. Ein eisernes Prinzip.
Ich würde jeden Organisationsbereich für sich genommen in Bewegung setzen und in die Kompetenz bringen, die eigenen Prozesse kontinuierlich zu verbessern. Teamboarding also. Ich würde eben dieses unternehmensweite Verbesserungssystem überall und sukzessive installieren und kontinuierlich ausbauen.
Ich würde allen Unterstützern, also Einkauf, Logistik, Personal und allen anderen, unmissverständlich deutlich machen, für was sie da sind: um dafür zu sorgen, dass Behandlungsprozesse perfekt funktionieren und die Mitarbeitenden in den Behandlungsprozessen ebenso perfekt arbeiten können. Dort wird behandelt und das Geld verdient. Ich würde alle Unterstützer in das Verbesserungssystem integrieren, wie es Teamboarding vorsieht.
Ich würde außerdem mit allen Führungskräften arbeiten, mit jedem einzelnen, und sie dahin fordern und fördern, sich aktiv und vor Ort an dieser Verbesserung zu beteiligen. Ich würde sie vom Forderer zum Unterstützer bewegen. Auch Führungskräfte werden in das Verbesserungssystem integriert. Auch das sieht Teamboarding vor.
Und – zu guter Letzt – ich würde mich selbst dazu zwingen, jeden Tag vor Ort dazu beizutragen, dass gemeinsame, berufsgruppen- und hierarchieübergreifende Verbesserung keine Pause macht. Von alleine wird das nämlich nicht passieren.
So würde ich heute damit beginnen, meine Organisation, für die ich verantwortlich bin, fit für die Zukunft zu machen. Ich würde dafür sorgen, dass Behandlungsprozesse besser werden, dass sich die Arbeitsbedingungen zum Besseren wenden. Ich würde dafür sorgen, dass neue Mitarbeitende bessere Bedingungen vorfinden und sie vom ersten Tag an mitgestalten.
Anders gesagt: ich würde in Führung gehen und meine Organisation zukunftsfest machen.
Und zwar jetzt - so gewalttätig es sich anhören mag - weil jetzt die Schmerzen groß sind. Jetzt ist es vergleichsweise leicht, eine Organisation in Bewegung zu setzen. Energie zu erzeugen. dem Unzufriedenen gehört die Zukunft, denn der Unzufriedene will und muss etwas verändern. Wenn wir wieder sämtliche Schmerzen mit Pflastern zugeklebt haben, ist das Zeitfenster wieder auf unbestimmte Zeit geschlossen. Was schade wäre.
Schlusswort
Wir brauchen mehr Personal. Keine Frage. Zumindest aus heutiger Sicht.
Ich würde aber gerne sehen, dass wir dazu auch die notwendigen Voraussetzungen schaffen und wir neues Personal nicht erneut in den Wellen unseres Chaos verbrennen.
Ich würde gerne sehen, dass dieses neue Personal in eine vernünftigere Arbeitsumgebung integriert wird und wir nicht in ein paar Jahren erneut eine Debatte darüber führen, wie schrecklich Arbeit im Krankenhaus ist. Wir haben selbst einen großen Einfluss darauf.
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ich hoffe, ich konnte Sie dieses Mal davon überzeugen, dass der Zeitpunkt schon längst gekommen ist. Wenn nicht - ich werde es weiter versuchen. In Wort und Schrift. Auf allen Kanälen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende, bleiben Sie mir gewogen, bis bald Ihr Jörg Gottschalk
Transkript anzeigen
Mehr Personal alleine ist auch nicht die Lösung!
Herzlich Willkommen im Lean Hospital. Mein Name ist Jörg Gottschalk.
In dieser Episode möchte ich mit Ihnen über Personalmangel sprechen – heute und in der Zukunft. Ein zentrales Thema, das endlich in der öffentlichen Aufmerksamkeit an Fahrt gewinnt. Es wird Zeit. Das wissen wir alle. Nur mit mehr Personal können wir die Leistungsfähigkeit unserer Krankenhäuser und aller anderen Institutionen im Gesundheitswesen aufrechterhalten.
Ohne mehr Personal sind wir dem Untergang geweiht. So lautet die kollektive Gewissheit.
Und an dieser kollektiven Gewissheit möchte ich einmal heftigst rütteln. Sie führt uns nämlich in die Irre oder sorgt zumindest dafür, dass wir deutlich zu kurz springen in unserem Bemühungen, Krankenhausversorgung auf höchstem Niveau aufrecht zu erhalten.
Hier sind meine vier Gründe:
Erstens:
Erstens: Mit dem Verweis auf personelle Knappheit gehen wir einmal mehr einen bequemen Weg. Wir haben einen sprachlosen und gleichsam bequemen Schuldigen für die allermeisten Organisationsprobleme ausgemacht. Also müssen wir keine Zeit mehr damit verschwenden, nach den wahren Ursachen zu forschen.
Zweitens:
Zweitens: Der zentrale Grund für Mitarbeiterflucht aus den Krankenhäusern ist das tägliche Arbeitschaos.
Zweitens: Dabei behaupten praktische Alle, das Chaos wäre die Folge von Zeitknappheit, also Personalknappheit. Diese Annahme ist falsch. Das Chaos gab es schon vor der personellen Knappheit, wir haben es nur besser bewältigen können. Chaos führt zu Verschwendung und zu unnötigen Risiken. Jetzt merken wir diesen unleugnenbaren Sachverhalt.
Drittens:
Drittens: Wenn wir in dieses Chaos neue und mehr Mitarbeitende werfen, werden wir nicht über mehr Zeit verfügen, sondern nur noch mehr Chaos erleben. Das ist nämlich das Wesen von Chaos. Chaos ist ein schwarzes Loch, das Zeit frisst und an ihr wächst. Deshalb wird mehr Personal nicht zu den erhofften Wirkungen führen.
Viertens:
Viertens: Wenn wir jetzt mehr Personal einstellen, ohne dass wir das Chaos beseitigt haben, vergeben wir die allerbeste Gelegenheit für Veränderung. Wenn der Druck wieder entweicht, wird wieder organisatorischer Stillstand herrschen.
Vier gute Gründe also, um einen anderen Weg einzuschlagen. Mehr Personal wird das Grundproblem nicht lösen: unsere desorganisierten Behandlungsprozesse und Führungsstrukturen. Wir verlieren nur Zeit.
Vier gute Gründe also, um einen anderen Weg einzuschlagen. Mehr Personal wird das Grundproblem nicht lösen: Jetzt mal eins nach dem anderen.
Vier gute Gründe also, um einen anderen Weg einzuschlagen. Mehr Personal wird das Grundproblem nicht lösen: Mitarbeitende fliehen
Vier gute Gründe also, um einen anderen Weg einzuschlagen. Mehr Personal wird das Grundproblem nicht lösen: Stellen Sie sich auch die Frage, warum es derart viele Mitarbeitenden aus unseren Krankenhäusern förmlich heraustreibt? Wahrscheinlich. Da wird viel spekuliert. Von Gehalt, über fehlende Dienstfahrräder, mangelnde Kommunikation oder mangelnde Wertschätzung. Alles möglich. Auf die ein oder andere Weise wird all das ihre Entscheidung beeinflussen. Keine Frage. Der Hauptgrund ist aber ein anderer.
Vier gute Gründe also, um einen anderen Weg einzuschlagen. Mehr Personal wird das Grundproblem nicht lösen: Mitarbeitende treibt es aus den Krankenhäusern heraus, weil sie einmal weit höhere Erwartungen daran hatten, wie sie im Krankenhaus Menschen helfen können und jetzt erkennen müssen, dass ihre Arbeitssituation das nicht mehr zulässt.
Vier gute Gründe also, um einen anderen Weg einzuschlagen. Mehr Personal wird das Grundproblem nicht lösen: Sie leiden täglich unter den organisatorischen Bedingungen, unter denen sie heute arbeiten müssen. Sie leiden unter dem täglichen Arbeitschaos, der Unstrukturiertheit ihrer Tätigkeit, dem immer spontan Handeln müssen und dem stetig sprudelnden Quell neuer Alltagsprobleme in den Abläufen. Sie macht es fertig, keine Aufgabe ungestört und vollständig abzuschließen und ihre Arbeit praktisch nie innerhalb ihrer Arbeitszeit erledigt zu bekommen. All das kostet mehr Energie und Anstrengung, als selbst die engagiertesten Menschen bereit sind dauerhaft einzusetzen.
Vier gute Gründe also, um einen anderen Weg einzuschlagen. Mehr Personal wird das Grundproblem nicht lösen: Weil sich daran absehbar nichts ändern wird, fliehen sie. Wie fast alle gehen sie davon aus, dass das Chaos durch Personalmangel und zunehmende Bürokratie hervorgerufen wird. An beiden Fronten zeichnet sich keine Besserung ab.
Sie glauben nämlich unbewusst - wie fast alle Politiker und Führungskräfte übrigens auch - an den einfachen Dreisatz: mehr Personal, also bessere Arbeitsbedingungen, also mehr Zufriedenheit.
Sie glauben nämlich unbewusst - wie fast alle Politiker und Führungskräfte übrigens auch - an den einfachen Dreisatz: Und genau dieser Dreisatz gilt nicht. Zumindest gilt er nicht so absolut.
Sie glauben nämlich unbewusst - wie fast alle Politiker und Führungskräfte übrigens auch - an den einfachen Dreisatz: So leicht macht es uns Organisation nicht.
Sie glauben nämlich unbewusst - wie fast alle Politiker und Führungskräfte übrigens auch - an den einfachen Dreisatz: Weil wir so quasi reflexhaft und kollektiv die falschen Ursachen für den Mitarbeiterschwund und den Zeitmangel unterstellen, suchen wir nicht mehr nach den richtigen Ursachen. Mit fatalen Folgen.
Sie glauben nämlich unbewusst - wie fast alle Politiker und Führungskräfte übrigens auch - an den einfachen Dreisatz: Das Grundübel ist nicht der Mangel an Personal, sondern die Art und Weise, wie wir Behandlungsprozesse gestalten. Diese Arbeitsweise ist prädestiniert dafür, Chaos und Verschwendung zu erzeugen. Wenn man in eine solche, unattraktive, strukturell chaotische Organisation mit unzufriedenen Mitarbeitern mehr Mitarbeiter hineinwirft, wird man unweigerlich noch mehr unzufriedene Menschen in einer immer defizitärer, immer chaotischer werdenden Organisation beschäftigen, die automatisch nach immer mehr Menschen ruft. Das ist leider die organisatorische Wahrheit.
Sie glauben nämlich unbewusst - wie fast alle Politiker und Führungskräfte übrigens auch - an den einfachen Dreisatz: Ein guter Teil von mehr Zeit bzw. mehr Personal wird deshalb schlicht verpuffen, ohne dass irgendetwas besser würde. Weder die Patientenbehandlung noch die Zufriedenheit unserer Mitarbeitenden. Sie wird lediglich teurer.
Sie glauben nämlich unbewusst - wie fast alle Politiker und Führungskräfte übrigens auch - an den einfachen Dreisatz: Sobald wir dagegen damit beginnen, an den Grundlogiken der Krankenhausorganisation zu arbeiten, reduziert sich dieses Chaos, und die Verschwendung. Das Arbeiten wird strukturierter, ruhiger und weniger anstrengend. Sicherer.
Sie glauben nämlich unbewusst - wie fast alle Politiker und Führungskräfte übrigens auch - an den einfachen Dreisatz: Wenn wir in ein solches Setting neue Mitarbeitende integrieren, arbeiten sie unter besseren Bedingungen und bleiben - vielleicht.
Sie glauben nämlich unbewusst - wie fast alle Politiker und Führungskräfte übrigens auch - an den einfachen Dreisatz: Wenn wir weiterhin auf den Zeitpunkt in ferner Zukunft warten, zu dem wieder mehr qualifiziertes Personal zu Verfügung steht, verlieren wir nur wertvolle Zeit. Stattdessen wäre es sinnvoller, wenn man jetzt damit begönne, radikal an unseren Behandlungsprozessen zu arbeiten.
Sie glauben nämlich unbewusst - wie fast alle Politiker und Führungskräfte übrigens auch - an den einfachen Dreisatz: Das Chaos
Sie glauben nämlich unbewusst - wie fast alle Politiker und Führungskräfte übrigens auch - an den einfachen Dreisatz: Vielen ist der Zusammenhang zwischen Chaos und Viel-Arbeit nicht unmittelbar präsent. Deshalb hier ein paar Worte dazu. Über die Folgen von Chaos habe ich an anderer Stelle bereits berichtet.
Für jeden ist klar, dass Zeitknappheit entsteht, wenn wir Personal reduzieren, aber die Arbeit bleibt. Zeitknappheit tritt jedoch vor allem dann ein, wenn wir unnötigerweise zu viel Arbeit bewerkstelligen müssen, weil wir uns zu viel Arbeit machen. Ein Arbeitsproduzent ist das Chaos. Chaos produziert unendlich viel Arbeit, weil alles adhoc passiert, jeder maximal flexibel reagieren muss, Abstimmungsbedarf exponentiell ansteigt, Störungen zunehmen. Mit anderen Worten: Zeit fließt immer weniger in die primäre Patientenversorgung, sondern in den Teil, den ich Organisationsbeherrschungsaufwand nenne.
Für jeden ist klar, dass Zeitknappheit entsteht, wenn wir Personal reduzieren, aber die Arbeit bleibt. Zeitknappheit tritt jedoch vor allem dann ein, wenn wir unnötigerweise zu viel Arbeit bewerkstelligen müssen, weil wir uns zu viel Arbeit machen. Ein Arbeitsproduzent ist das Chaos. Chaos produziert unendlich viel Arbeit, weil alles adhoc passiert, jeder maximal flexibel reagieren muss, Abstimmungsbedarf exponentiell ansteigt, Störungen zunehmen. Mit anderen Worten: Das Problem besteht darin, dass organisatorisches Chaos die Tendenz hat, mehr zu werden, je mehr Zeit man ihm gibt. Es verhält sich wie ein schwarzes Lock, dass Zeit frisst und an ihr wächst.
Dieser Sachverhalt lässt sich nicht leugnen: Chaos reduziert sich nicht von alleine, es wächst nur von alleine. Das ist sein Wesensmerkmal. Mit mehr Personen bzw. Mehr Zeit lässt sich Chaos zwar besser bewerkstelligen, was allerdings sehr viel Geld und Energie kostet. Der normale Mensch ist für Chaos nicht geschaffen. Außer vielleicht ein typischer Notarzt.
Dieser Sachverhalt lässt sich nicht leugnen: Es ist also ein völliger Trugschluss anzunehmen, dass sich Arbeitsbedingungen verbessern und Mitarbeitende zufriedener würden, wenn man die Organisation nur mit mehr Zeit füttert.
Dieser Sachverhalt lässt sich nicht leugnen: Was tun?
Dieser Sachverhalt lässt sich nicht leugnen: Jetzt ist der Zeitpunkt schon längst gekommen, um unsere Organisationen in die Lage zu versetzen, radikal an den eigenen Prozessen zu arbeiten. Dafür plädiere ich seit vielen Jahren.
Dieser Sachverhalt lässt sich nicht leugnen: Die Zukunftsaufgabe besteht darin, unsere riesigen, extrem komplexen und risikosensiblen Organisationen zu befähigen, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und Schritt für Schritt zu verbessern. Wir müssen sie erst einmal veränderungsfähig machen. Das sind sie nämlich heute in keiner Weise. Alle Versuche, Veränderungsfähigkeit über zentrale Instanzen, das Qualitätsmanagement, Arbeitsgruppen und Projektinflationen zu bewerkstelligen, sind nach meinem Dafürhalten weitgehend gescheitert. Weil sie scheitern mussten. Auf der operativen Ebene herrscht weitgehend operativer Stillstand.
Dieser Sachverhalt lässt sich nicht leugnen: Diesen Stillstand aufzuheben und die Organisationen in Bewegung zu setzen, das ist der erste Schritt. Für mich ist das ein fester Bestandteil eines Lean Hospitals und - konkret - die Einführung von Teamboarding. Teamboarding stellt ein agiles Setting her, in dem dezentrale Teams eigenverantwortlich und in kleinen Schritten ihre eigenen Probleme lösen und Prozesse verbessern. Damit geht es los, weil sich so Kompetenzen aufbauen und - im Tun - Strukturen verändern. Man muss ein Schubkarre anschieben, wenn man wissen möchte, wo sie quietscht.
Ich würde jetzt damit beginnen, jedes einzelne Krankenhaus organisatorisch in eine klare Richtung zu treiben: zuverlässige und stabile Prozesse – raus aus dem Chaos. Ein eisernes Prinzip.
Ich würde jetzt damit beginnen, jedes einzelne Krankenhaus organisatorisch in eine klare Richtung zu treiben: Ich würde jeden Organisationsbereich für sich genommen in Bewegung setzen und in die Kompetenz bringen, die eigenen Prozesse kontinuierlich zu verbessern. Teamboarding also. Ich würde eben dieses unternehmensweite Verbesserungssystem überall und sukzessive installieren und kontinuierlich ausbauen.
Ich würde allen Unterstützern, also Einkauf, Logistik, Personal und allen anderen, unmissverständlich deutlich machen, für was sie da sind: um dafür zu sorgen, dass Behandlungsprozesse perfekt funktionieren und die Mitarbeitenden in den Behandlungsprozessen ebenso perfekt arbeiten können. Dort wird behandelt und das Geld verdient. Ich würde alle Unterstützer in das Verbesserungssystem integrieren, wie es Teamboarding vorsieht.
Ich würde allen Unterstützern, also Einkauf, Logistik, Personal und allen anderen, unmissverständlich deutlich machen, für was sie da sind: Ich würde außerdem mit allen Führungskräften arbeiten, mit jedem einzelnen, und sie dahin fordern und fördern, sich aktiv und vor Ort an dieser Verbesserung zu beteiligen. Ich würde sie vom Forderer zum Unterstützer bewegen. Auch Führungskräfte werden in das Verbesserungssystem integriert. Auch das sieht Teamboarding vor.
Ich würde allen Unterstützern, also Einkauf, Logistik, Personal und allen anderen, unmissverständlich deutlich machen, für was sie da sind: Und – zu guter Letzt – ich würde mich selbst dazu zwingen, jeden Tag vor Ort dazu beizutragen, dass gemeinsame, berufsgruppen- und hierarchieübergreifende Verbesserung keine Pause macht. Von alleine wird das nämlich nicht passieren.
Ich würde allen Unterstützern, also Einkauf, Logistik, Personal und allen anderen, unmissverständlich deutlich machen, für was sie da sind: So würde ich heute damit beginnen, meine Organisation, für die ich verantwortlich bin, fit für die Zukunft zu machen. Ich würde dafür sorgen, dass Behandlungsprozesse besser werden, dass sich die Arbeitsbedingungen zum Besseren wenden. Ich würde dafür sorgen, dass neue Mitarbeitende bessere Bedingungen vorfinden und sie vom ersten Tag an mitgestalten.
Anders gesagt: ich würde in Führung gehen und meine Organisation zukunftsfest machen.
Anders gesagt: Und zwar jetzt - so gewalttätig es sich anhören mag - weil jetzt die Schmerzen groß sind. Jetzt ist es vergleichsweise leicht, eine Organisation in Bewegung zu setzen. Energie zu erzeugen. dem Unzufriedenen gehört die Zukunft, denn der Unzufriedene will und muss etwas verändern. Wenn wir wieder sämtliche Schmerzen mit Pflastern zugeklebt haben, ist das Zeitfenster wieder auf unbestimmte Zeit geschlossen. Was schade wäre.
Anders gesagt: Schlusswort
Anders gesagt: Wir brauchen mehr Personal. Keine Frage. Zumindest aus heutiger Sicht.
Anders gesagt: Ich würde aber gerne sehen, dass wir dazu auch die notwendigen Voraussetzungen schaffen und wir neues Personal nicht erneut in den Wellen unseres Chaos verbrennen.
Anders gesagt: Ich würde gerne sehen, dass dieses neue Personal in eine vernünftigere Arbeitsumgebung integriert wird und wir nicht in ein paar Jahren erneut eine Debatte darüber führen, wie schrecklich Arbeit im Krankenhaus ist. Wir haben selbst einen großen Einfluss darauf.
Anders gesagt: Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ich hoffe, ich konnte Sie dieses Mal davon überzeugen, dass der Zeitpunkt schon längst gekommen ist. Wenn nicht - ich werde es weiter versuchen.
Anders gesagt: In Wort und Schrift. Auf allen Kanälen.
Anders gesagt: In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende, bleiben Sie mir gewogen,
Anders gesagt: bis bald
Anders gesagt: Ihr Jörg Gottschalk
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