Episode 18: Unwort "Bett" oder alles fuer den Prozess

Shownotes

Hallo und Herzlich Willkommen zur 18. Und letzten Episode von „das ist Lean Hospital“ vor meiner Sommerpause. Mein Name ist Jörg Gottschalk und wir starten nun gemeinsam in die wohl dusseligste Debatte der vergangenen zwanzig Jahre: die Belegungsquotendebatte. Eigentlich könnte ich mir diese Episode für September oder nächstes Jahr oder das nächste Jahrzehnt aufsparen. Denn ich werde vermutlich keine zwanzig Jahre währende, ziemlich sinnfreie Diskussion um Bettenzahl und Belegungsquoten ausüben. Einen Monat mehr oder weniger ändert gar nichts. Trotzdem: der gesunde Geist verträgt keine Irrationalität, also eben doch noch vor der Sommerpause.

Dass wir mehr als zwanzig Jahre eine Kennzahl in den Mittelpunkt von Führung und Organisation stellen, der keinerlei Bedeutung mehr zukommt, das könnte man noch als menschlich amüsant durchgehen lassen. Wenn, ja wenn diese Praxis keine so kontraproduktive Wirkung in die Organisation hinein entfachen würde.

In jeder Leistungsstatistik, in jeder Chefarzt- oder Leitungskonferenz, in Budgetvereinbarungen oder Strukturdebatten taucht sie auf: die Bettenzahl eines Krankenhauses und deren ominöse Auslastung. 85 Prozent lautet meist die magische Zahl. Eine Zahl, die lustlos im Raum hängt und von der niemand weiß, woher sie eigentlich stammt.

Nun, wahrscheinlich hat sie bereits zu den Zeiten als Führungs-Wegweiser gegolten, als Patientinnen und Patienten noch 2, 3 oder mehr Wochen stabil im Krankenhaus geparkt wurden und sich das Budget und seine Berechnung daran orientierte, wie viele Betten Patienten gefüllt werden konnte. Diese Zeiten sind seit 20 Jahren vorbei. Seit zwanzig Jahren!

Seit der Einführung der DRGs werden Krankenhäuser im Wesentlichen für behandelte Patienten bezahlt. Also nach deren Anzahl, deren Erkrankung und Behandlung. Außer zu Corona-Zeiten spielt heute ein leeres oder volles Bett abrechnungstechnisch faktisch keine konkrete Rolle.

Warum benutzen wir sie dann bis heute als harte Führungskennzahl? Warum prägt sie so sehr das Denken und Handeln, dass ich vermute, dass nicht nur Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer von ihr träumen, sondern auch Chefärztinnen, Chefärzte, Pflegedirektorinnen und -direktoren und – auch fast alle anderen Mitarbeitenden?

Meine Meinung dazu: der Mensch und auch der Führungsmensch ist unergründlich. Die Zahl ist schon theoretisch unsinnig

Schon der Wert 85 ist merkwürdig bis utopisch und entbehrt heute jeder Sachgrundlage.

Zu den Zeiten, als Patienten stabil drei Wochen – meist von Montag bis Sonntag ¬– ein Bett belegten, war 85 ein durchaus sinnvolle Kennzahl. Heute ist sie das längst nicht mehr. Bei durchschnittlichen Verweildauern von 4 bis 7 Tagen, bei einer hohen Leistungsdichte während der Woche und einer signifikant abnehmenden Kurve an den Wochenenden repräsentiert sie eine irrational hohe Quote. Zieht man zusätzlich zu den Wochenenden, an denen leistungstechnisch kaum etwas passiert, auch noch die Ferienzeiten und sonstigen Belegungslöcher ab, dann ist eine 85-Prozent-Belegung nur dann erreichbar, wenn in vielen Wochen des Jahres und an vielen Tagen innerhalb einer Woche Überbelegung herrscht.

Genau hier liegt der organisatorische Hund begraben:Überbelegung und Überbeanspruchung von Ressourcen bedeuten immer und ausnahmslos drei Dinge:  Verweildauerverlängerung,  Verschwendung und  viele, unnötige Risiken. Von den Belastungen des Personals und unzufriedenen Patientinnen und Patienten einmal ganz abgesehen. Allesamt Wirkungen, die wir mit aller Kraft zu vermeiden suchen.

Schlimmer noch: das sture Stieren auf Betten und deren Auslastung verhindert zwei zentrale Entwicklungen: • eine radikalere Verkürzung der durchschnittlichen Verweildauer und • die Gestaltung effizienter, strukturierter und planbarer Behandlungsprozesse.

Eine weitere, deutliche Reduktion der Patientenverweildauer wäre für Patientinnen und Patienten ebenso von Vorteil wie für die Krankenhausbilanzen. Ein erheblicher Teil des Krankenhausaufenthaltes wird nach wie vor davon bestimmt, was eine Krankenhausorganisation schafft und an Diagnostik und Therapie in kurzer Zeit zur Verfügung stellen kann. Viele Patienten könnten deutlich früher entlassen werden, wäre das Krankenhaus besser organisiert. Viel zu oft bestimmt nicht der Patient und seine notwendige Heilungszeit die Aufenthaltsdauer, sondern die organisatorischen Fähigkeiten des Krankenhauses.

Eine signifikante Reduktion der Verweildauer wäre also ein deutliches Zeichen für eine effiziente Organisation. Hören Sie gerne einmal in Episode 4 hinein, dort geht es um Verweildauer.

Nehmen wir einmal an, eine chirurgische Station soll laut Leistungsplanung 40 Patienten pro Kalenderwoche entlassen. Bei einer durchschnittlichen Verweildauer von 6 Tagen treibt sie das heute regelmäßig in die Überlastung. Von Montag bis Freitag und jeden Wochentag um 10 Uhr, wenn die alten Patienten noch nicht entlassen worden sind und die neuen bereits aufgenommen werden. Ein immer noch klassischer Fall.

Durchgreifende, organisatorische Maßnahmen führen dazu, dass die Verweildauer um ca. 30 Prozent auf 4,5 Tage gesenkt wird. Die Folgen: freie Betten und – entgegen der landläufigen Meinung – deutlich weniger Arbeit für Mitarbeitende. Das zählbare Ergebnis: nach wie vor 40 entlassene und vollständig abgerechnete Patienten. Also: Plan erfüllt, bessere Prozesse, zufriedenere Mitarbeitende.

Doch da war ja noch was: die Belegungsquote! Die selbstverständlich durch diese positiven Maßnahmen abnimmt.

Nun kommt es, wie es kommen muss. Die Geschäftsführung wird unruhig. Ärztinnen und Ärzte auch. Selbst den gemeinen Mitarbeitende beschleicht ein schlechtes Gefühl.

Freie Betten gelten heute als eindeutiges Signal dafür, dass mehr drin ist. Wie ein Naturgesetz.

Also werden die Leistungszahlen und damit die Anzahl zu behandelnder Patienten angehoben.

Das frustrierende Ergebnis für Mitarbeitende: sie sind radikal besser geworden - und haben jetzt mehr Arbeit als jemals zuvor. Genau das passiert nämlich unweigerlich. Wird die Verweildauer verkürzt und bleiben Betten frei, die nun mit neuen Patienten gefüllt werden, steigt trotz Effizienzsteigerung der Umfang der Arbeit – und das aus zwei einfachen Gründen: • Erstens verlaufen Behandlungsprozesse linksschief, das bedeutet, dass der Hauptteil der Arbeit am Anfang der Behandlung anfällt, nicht am Ende. • Zweitens steigt der Umfang der Arbeit mit wachsender Ressourcenauslastung exponentiell an – ein organisatorisches Naturgesetz. Wir stehen also wieder am Anfang. Es wird nicht lange dauern, bis sich die Verweildauer wieder bei 6 Tagen oder mehr einpendelt.

Es handelt sich nun einmal um eine missachtete organisatorische Wahrheit: Wenn in einer prozessorientierten Organisation mit nicht reduzierbaren Schwankungen alle Ressourcen maximal ausgelastet werden, steigt der Organisationsaufwand mit zunehmender Auslastung exponentiell an und die Durchlaufzeit, also die Verweildauer nimmt zu. Zurück auf Los also.

Wir lasten zwar aus, werden aber immer ineffizienter. Die Gestaltung effizienter Strukturen und Prozesse wird verhindert

Um die chaotischen Behandlungsprozesse einer typischen Krankenhausorganisation zu verbessern, existieren viele Wege. Das Lean-Behandlungssystem bietet dazu einige, sehr sinnvolle Gedanken an.

Ein zentrales und letztlich nur in Grenzen verhinderbares Organisationsproblem besteht darin, dass wir in Medizin und Pflege natürliche Schwankungen im Leistungsgeschehen nicht vollständig vermeiden können. Weder ist die individuelle Aufenthaltsdauer eines Patienten vollständig planbar, noch können wir das Notfallgeschehen vollständig und genau voraussehen.

Werden alle Ressourcen, sei es Personal, Räume, Geräte oder eben Betten maximal ausgelastet, schlägt jede Schwankung im Leistungsanfall unweigerlich und unmittelbar auf die Organisation und ihre Prozesse durch. Der Koordinationsaufwand nimmt zu. Verschwendung steigt. Es entstehen Hektik und Mehrarbeit. Das Risikoniveau steigt. Strukturierte, geplante und damit effiziente Abläufe werden substanziell zerstört.

Eine sinnvolle Möglichkeit, eine derartige, negative Wirkung von Schwankungen auf effiziente Abläufe zu vermeiden bzw. abzumildern, besteht darin, Puffer einzubauen. Personalpuffer, Gerätepuffer oder - Bettenpuffer. Zum Beispiel freie Betten auf einer Station. rEtwas sinnvolleres kann man kaum tun. Daran besteht kaum ein Zweifel.

Unter dem Diktat der Auslastung wird allerdings genau das verhindert. Ein freies Bett ist ein schlechtes Bett, so die vorherrschende Denke. Oft findet sogar das Gegenteil statt. Unterausgelastete Stationen werden zusammengelegt, und so einmal mehr künstliche Engpässe geschaffen.

Diese Denke ist vollständig irrational. Ein Krankenhaus wird dafür bezahlt, Patienten „richtig“, „gut“ und in der kürzest möglichen Zeit zu behandeln. Ob ein Bett leer steht oder nicht, spielt für die Abrechnung eines Patienten keine Rolle.

Bei mir gäbe es keine Station ohne ausreichende Puffer. Mein Fokus läge nämlich nicht primär auf Auslastung, sondern darauf, die Patientenzahl zu maximieren und deren Verweildauer drastisch zu reduzieren. Dafür braucht man nun einmal Puffer, also nicht permanent genutzte Ressourcen.

Werden solche Puffer aus nicht nachvollziehbaren Gründen verweigert, schwäche ich die Organisation, ich schaffe mehr Arbeit – also Verschwendung und erhöhe das Fehlerrisiko. Ich belege zwar mehr Betten, behandle aber dafür weniger Patientinnen und Patienten.

Das Problem besteht darin, dass heute einseitig auf die Auslastung von Ressourcen blicken, nicht auf die Effizienz von Prozessen. Richtiger wäre es, den Prozess in den Fokus zu nehmen und sich von alten Denkweisen endgültig zu verabschieden.

Das Krankenhausbett ist in dieser neuen Denke nicht mehr als ein Lagerplatz für Patientinnen und Patienten. Ich kenne kein Unternehmen, das seine Vergütung bzw. seine Effizienz am Umfang und der Auslastung seiner Läger misst. Eher das Gegenteil ist der Fall. Es sei denn, den Fall muss ich einräumen: ein Unternehmen vermietet Lagerplätze.

Also bitte: Lassen Sie uns nach zwanzig Jahren endlich damit aufhören, in der Organisation über Betten und ihre Auslastung zu sprechen oder sie gar als Zielgröße zu verwenden. Es macht nicht nur überhaupt keinen Sinn, es führt sogar zu eklatanten Fehlentwicklungen. Das musste vor der Sommerpause doch noch gesagt werden. Ich werde erleben, ob meine kleine Intervention Früchte trägt.

Herzlichen Dank für Ihre Treue, Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit. Vielleicht verspüren Sie ja Lust, während der lauen Sommertage meinen Roman „Krankenhaus Melbeck“ unter Ihr Kopfkissen zu legen oder – für die Hardcore-Arbeiter – in meinem Buch „das ist Lean Hospital“ zu stöbern. Wenn nicht, verstehe ich auch das recht gut und darf es dennoch ein klein wenig schade finden.

Verbringen Sie einen gesunden und erholsamen Sommer. Wir hören und sehen uns im September wieder. Bleiben Sie mir und diesem Podcast gewogen.

Bis dahin, Ihr Jörg Gottschalk

Transkript anzeigen

Kurztext

Seit zwanzig Jahren werden Krankenhausleistungen über DRGs vergütet. Immer noch diskutieren wir über Betten und ihre Auslastung. Wäre diese Diskussion nicht so schädlich, man könnte amüsiert sein ob der menschlichen Beharrungskompetenz. Das einseitige Stieren auf Belegung verhindert jedoch, dass Patientenaufenthalte in Zukunft deutlich kürzer ausfallen und wir ruhige, strukturierte und geplante Behandlungsprozesse schaffen. "Raus aus dem Chaos" wird ein Traum bleiben. Der einseitige Auslastungsfokus verhindert echte Effizienz- und Qualitätsfortschritte.

Vergessen Sie die Belegung – sie verhindert alles

Hallo und Herzlich Willkommen zur 18. Und letzten Episode von „das ist Lean Hospital“ vor meiner Sommerpause. Mein Name ist Jörg Gottschalk und wir starten nun gemeinsam in die wohl dusseligste Debatte der vergangenen zwanzig Jahre: die Belegungsquotendebatte.

Eigentlich könnte ich mir diese Episode für September oder nächstes Jahr oder das nächste Jahrzehnt aufsparen. Denn ich werde vermutlich keine zwanzig Jahre währende, ziemlich sinnfreie Diskussion um Bettenzahl und Belegungsquoten ausüben. Einen Monat mehr oder weniger ändert gar nichts. Trotzdem: der gesunde Geist verträgt keine Irrationalität, also eben doch noch vor der Sommerpause.

Eigentlich könnte ich mir diese Episode für September oder nächstes Jahr oder das nächste Jahrzehnt aufsparen. Denn ich werde vermutlich keine zwanzig Jahre währende, ziemlich sinnfreie Diskussion um Bettenzahl und Belegungsquoten ausüben. Einen Monat mehr oder weniger ändert gar nichts. Trotzdem: Dass wir mehr als zwanzig Jahre eine Kennzahl in den Mittelpunkt von Führung und Organisation stellen, der keinerlei Bedeutung mehr zukommt, das könnte man noch als menschlich amüsant durchgehen lassen. Wenn, ja wenn diese Praxis keine so kontraproduktive Wirkung in die Organisation hinein entfachen würde.

In jeder Leistungsstatistik, in jeder Chefarzt- oder Leitungskonferenz, in Budgetvereinbarungen oder Strukturdebatten taucht sie auf: die Bettenzahl eines Krankenhauses und deren ominöse Auslastung. 85 Prozent lautet meist die magische Zahl. Eine Zahl, die lustlos im Raum hängt und von der niemand weiß, woher sie eigentlich stammt.

In jeder Leistungsstatistik, in jeder Chefarzt- oder Leitungskonferenz, in Budgetvereinbarungen oder Strukturdebatten taucht sie auf: Nun, wahrscheinlich hat sie bereits zu den Zeiten als Führungs-Wegweiser gegolten, als Patientinnen und Patienten noch 2, 3 oder mehr Wochen stabil im Krankenhaus geparkt wurden und sich das Budget und seine Berechnung daran orientierte, wie viele Betten Patienten gefüllt werden konnte.

In jeder Leistungsstatistik, in jeder Chefarzt- oder Leitungskonferenz, in Budgetvereinbarungen oder Strukturdebatten taucht sie auf: Diese Zeiten sind seit 20 Jahren vorbei. Seit zwanzig Jahren!

In jeder Leistungsstatistik, in jeder Chefarzt- oder Leitungskonferenz, in Budgetvereinbarungen oder Strukturdebatten taucht sie auf: Seit der Einführung der DRGs werden Krankenhäuser im Wesentlichen für behandelte Patienten bezahlt. Also nach deren Anzahl, deren Erkrankung und Behandlung. Außer zu Corona-Zeiten spielt heute ein leeres oder volles Bett abrechnungstechnisch faktisch keine konkrete Rolle.

In jeder Leistungsstatistik, in jeder Chefarzt- oder Leitungskonferenz, in Budgetvereinbarungen oder Strukturdebatten taucht sie auf: Warum benutzen wir sie dann bis heute als harte Führungskennzahl? Warum prägt sie so sehr das Denken und Handeln, dass ich vermute, dass nicht nur Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer von ihr träumen, sondern auch Chefärztinnen, Chefärzte, Pflegedirektorinnen und -direktoren und – auch fast alle anderen Mitarbeitenden?

Meine Meinung dazu: der Mensch und auch der Führungsmensch ist unergründlich.

Meine Meinung dazu: Die Zahl 85 ist schon theoretisch unsinnig

Meine Meinung dazu: Schon der Wert 85 ist merkwürdig bis utopisch und entbehrt heute jeder Sachgrundlage.

Meine Meinung dazu: Zu den Zeiten, als Patienten stabil drei Wochen – meist von Montag bis Sonntag – ein Bett belegten, war 85 ein durchaus sinnvolle Kennzahl. Heute ist sie das längst nicht mehr. Bei durchschnittlichen Verweildauern von 4 bis 7 Tagen, bei einer hohen Leistungsdichte während der Woche und einer signifikant abnehmenden Kurve an den Wochenenden repräsentiert sie eine irrational hohe Quote. Zieht man zusätzlich zu den Wochenenden, an denen leistungstechnisch kaum etwas passiert, auch noch die Ferienzeiten und sonstigen Belegungslöcher ab, dann ist eine 85-Prozent-Belegung nur dann erreichbar, wenn in vielen Wochen des Jahres und an vielen Tagen innerhalb einer Woche Überbelegung herrscht.

Genau hier liegt der organisatorische Hund begraben:

Überbelegung und Überbeanspruchung von Ressourcen bedeuten immer und ausnahmslos drei Dinge:

Überbelegung und Überbeanspruchung von Ressourcen bedeuten immer und ausnahmslos drei Dinge: Verweildauerverlängerung,

Überbelegung und Überbeanspruchung von Ressourcen bedeuten immer und ausnahmslos drei Dinge: Verschwendung und

Überbelegung und Überbeanspruchung von Ressourcen bedeuten immer und ausnahmslos drei Dinge: viele, unnötige Risiken.

Überbelegung und Überbeanspruchung von Ressourcen bedeuten immer und ausnahmslos drei Dinge: Von den Belastungen des Personals und unzufriedenen Patientinnen und Patienten einmal ganz abgesehen.

Überbelegung und Überbeanspruchung von Ressourcen bedeuten immer und ausnahmslos drei Dinge: Allesamt Wirkungen, die wir mit aller Kraft zu vermeiden suchen.

Schlimmer noch: das sture Stieren auf Betten und deren Auslastung verhindert zwei zentrale Entwicklungen:

Schlimmer noch: eine radikalere Verkürzung der durchschnittlichen Verweildauer und

Schlimmer noch: die Gestaltung effizienter, strukturierter und planbarer Behandlungsprozesse.

Schlimmer noch: Verweildauer drastisch reduzieren

Schlimmer noch: Eine weitere, deutliche Reduktion der Patientenverweildauer wäre für Patientinnen und Patienten ebenso von Vorteil wie für die Krankenhausbilanzen. Ein erheblicher Teil des Krankenhausaufenthaltes wird nach wie vor davon bestimmt, was eine Krankenhausorganisation schafft und an Diagnostik und Therapie in kurzer Zeit zur Verfügung stellen kann. Viele Patienten könnten deutlich früher entlassen werden, wäre das Krankenhaus besser organisiert. Viel zu oft bestimmt nicht der Patient und seine notwendige Heilungszeit die Aufenthaltsdauer, sondern die organisatorischen Fähigkeiten des Krankenhauses.

Schlimmer noch: Eine signifikante Reduktion der Verweildauer wäre also ein deutliches Zeichen für eine effiziente Organisation. Hören Sie gerne einmal in Episode 4 hinein, dort geht es um Verweildauer.

Schlimmer noch: Nehmen wir einmal an, eine chirurgische Station soll laut Leistungsplanung 40 Patienten pro Kalenderwoche entlassen. Bei einer durchschnittlichen Verweildauer von 6 Tagen treibt sie das heute regelmäßig in die Überlastung. Von Montag bis Freitag und jeden Wochentag um 10 Uhr, wenn die alten Patienten noch nicht entlassen worden sind und die neuen bereits aufgenommen werden. Ein immer noch klassischer Fall.

Durchgreifende, organisatorische Maßnahmen führen dazu, dass die Verweildauer um ca. 30 Prozent auf 4,5 Tage gesenkt wird. Die Folgen: freie Betten und – entgegen der landläufigen Meinung – deutlich weniger Arbeit für Mitarbeitende. Das zählbare Ergebnis: nach wie vor 40 entlassene und vollständig abgerechnete Patienten. Also: Plan erfüllt, bessere Prozesse, zufriedenere Mitarbeitende.

Doch da war ja noch was: die Belegungsquote! Die selbstverständlich durch diese positiven Maßnahmen abnimmt.

Doch da war ja noch was: Nun kommt es, wie es kommen muss. Die Geschäftsführung wird unruhig. Ärztinnen und Ärzte auch. Selbst den gemeinen Mitarbeitende beschleicht ein schlechtes Gefühl.

Doch da war ja noch was: Freie Betten gelten heute als eindeutiges Signal dafür, dass mehr drin ist. Wie ein Naturgesetz.

Doch da war ja noch was: Also werden die Leistungszahlen und damit die Anzahl zu behandelnder Patienten angehoben.

Das frustrierende Ergebnis für Mitarbeitende: sie sind radikal besser geworden - und haben jetzt mehr Arbeit als jemals zuvor. Genau das passiert nämlich unweigerlich. Wird die Verweildauer verkürzt und bleiben Betten frei, die nun mit neuen Patienten gefüllt werden, steigt trotz Effizienzsteigerung der Umfang der Arbeit – und das aus zwei einfachen Gründen:

Das frustrierende Ergebnis für Mitarbeitende: Erstens verlaufen Behandlungsprozesse linksschief, das bedeutet, dass der Hauptteil der Arbeit am Anfang der Behandlung anfällt, nicht am Ende.

Das frustrierende Ergebnis für Mitarbeitende: Zweitens steigt der Umfang der Arbeit mit wachsender Ressourcenauslastung exponentiell an – ein organisatorisches Naturgesetz.

Das frustrierende Ergebnis für Mitarbeitende: Wir stehen also wieder am Anfang. Es wird nicht lange dauern, bis sich die Verweildauer wieder bei 6 Tagen oder mehr einpendelt.

Es handelt sich nun einmal um eine missachtete organisatorische Wahrheit: Wenn in einer prozessorientierten Organisation mit nicht reduzierbaren Schwankungen alle Ressourcen maximal ausgelastet werden, steigt der Organisationsaufwand mit zunehmender Auslastung exponentiell an und die Durchlaufzeit, also die Verweildauer nimmt zu. Zurück auf Los also.

Es handelt sich nun einmal um eine missachtete organisatorische Wahrheit: Wir lasten zwar aus, werden aber immer ineffizienter.

Es handelt sich nun einmal um eine missachtete organisatorische Wahrheit: Die Gestaltung effizienter Strukturen und Prozesse wird verhindert

Es handelt sich nun einmal um eine missachtete organisatorische Wahrheit: Um die chaotischen Behandlungsprozesse einer typischen Krankenhausorganisation zu verbessern, existieren viele Wege. Das Lean-Behandlungssystem bietet dazu einige, sehr sinnvolle Gedanken an.

Es handelt sich nun einmal um eine missachtete organisatorische Wahrheit: Ein zentrales und letztlich nur in Grenzen verhinderbares Organisationsproblem besteht darin, dass wir in Medizin und Pflege natürliche Schwankungen im Leistungsgeschehen nicht vollständig vermeiden können. Weder ist die individuelle Aufenthaltsdauer eines Patienten vollständig planbar, noch können wir das Notfallgeschehen vollständig und genau voraussehen.

Es handelt sich nun einmal um eine missachtete organisatorische Wahrheit: Werden alle Ressourcen, sei es Personal, Räume, Geräte oder eben Betten maximal ausgelastet, schlägt jede Schwankung im Leistungsanfall unweigerlich und unmittelbar auf die Organisation und ihre Prozesse durch. Der Koordinationsaufwand nimmt zu. Verschwendung steigt. Es entstehen Hektik und Mehrarbeit. Das Risikoniveau steigt.

Es handelt sich nun einmal um eine missachtete organisatorische Wahrheit: Strukturierte, geplante und damit effiziente Abläufe werden substanziell zerstört.

Es handelt sich nun einmal um eine missachtete organisatorische Wahrheit: Eine sinnvolle Möglichkeit, eine derartige, negative Wirkung von Schwankungen auf effiziente Abläufe zu vermeiden bzw. abzumildern, besteht darin, Puffer einzubauen. Personalpuffer, Gerätepuffer oder - Bettenpuffer. Zum Beispiel freie Betten auf einer Station. rEtwas sinnvolleres kann man kaum tun. Daran besteht kaum ein Zweifel.

Es handelt sich nun einmal um eine missachtete organisatorische Wahrheit: Unter dem Diktat der Auslastung wird allerdings genau das verhindert. Ein freies Bett ist ein schlechtes Bett, so die vorherrschende Denke. Oft findet sogar das Gegenteil statt. Unterausgelastete Stationen werden zusammengelegt, und so einmal mehr künstliche Engpässe geschaffen.

Es handelt sich nun einmal um eine missachtete organisatorische Wahrheit: Diese Denke ist vollständig irrational. Ein Krankenhaus wird dafür bezahlt, Patienten „richtig“, „gut“ und in der kürzest möglichen Zeit zu behandeln. Ob ein Bett leer steht oder nicht, spielt für die Abrechnung eines Patienten keine Rolle.

Es handelt sich nun einmal um eine missachtete organisatorische Wahrheit: Bei mir gäbe es keine Station ohne ausreichende Puffer. Mein Fokus läge nämlich nicht primär auf Auslastung, sondern darauf, die Patientenzahl zu maximieren und deren Verweildauer drastisch zu reduzieren.

Es handelt sich nun einmal um eine missachtete organisatorische Wahrheit: Dafür braucht man nun einmal Puffer, also nicht permanent genutzte Ressourcen. Werden solche Puffer aus nicht nachvollziehbaren Gründen verweigert, schwäche ich die Organisation, ich schaffe mehr Arbeit – also Verschwendung und erhöhe das Fehlerrisiko. Ich belege zwar mehr Betten, behandle aber dafür weniger Patientinnen und Patienten.

Es handelt sich nun einmal um eine missachtete organisatorische Wahrheit: Das Problem besteht darin, dass heute einseitig auf die Auslastung von Ressourcen blicken, nicht auf die Effizienz von Prozessen. Richtiger wäre es, den Prozess in den Fokus zu nehmen und sich von alten Denkweisen endgültig zu verabschieden.

Das Krankenhausbett ist in dieser neuen Denke nicht mehr als ein Lagerplatz für Patientinnen und Patienten. Ich kenne kein Unternehmen, das seine Vergütung bzw. seine Effizienz am Umfang und der Auslastung seiner Läger misst. Eher das Gegenteil ist der Fall. Es sei denn, den Fall muss ich einräumen: ein Unternehmen vermietet Lagerplätze.

Das Krankenhausbett ist in dieser neuen Denke nicht mehr als ein Lagerplatz für Patientinnen und Patienten. Ich kenne kein Unternehmen, das seine Vergütung bzw. seine Effizienz am Umfang und der Auslastung seiner Läger misst. Eher das Gegenteil ist der Fall. Es sei denn, den Fall muss ich einräumen: Abspann

Also bitte: Lassen Sie uns nach zwanzig Jahren endlich damit aufhören, in der Organisation über Betten und ihre Auslastung zu sprechen oder sie gar als Zielgröße zu verwenden. Es macht nicht nur überhaupt keinen Sinn, es führt sogar zu eklatanten Fehlentwicklungen.

Also bitte: Das musste vor der Sommerpause doch noch gesagt werden. Ich werde erleben, ob meine kleine Intervention Früchte trägt.

Also bitte: Herzlichen Dank für Ihre Treue, Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit. Vielleicht verspüren Sie ja Lust, während der lauen Sommertage meinen Roman „Krankenhaus Melbeck“ unter Ihr Kopfkissen zu legen oder – für die Hardcore-Arbeiter – in meinem Buch „das ist Lean Hospital“ zu stöbern. Wenn nicht, verstehe ich auch das recht gut und darf es dennoch ein klein wenig schade finden.

Also bitte: Verbringen Sie einen gesunden und erholsamen Sommer. Wir hören und sehen uns im September wieder. Bleiben Sie mir und diesem Podcast gewogen.

Also bitte: Bis dahin,

Also bitte: Ihr Jörg Gottschalk

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